Imaging of Matter
Zeitkristall erstmals durch Dissipation stabilisiert
20. Juli 2021

Foto: AG Hemmerich
Ein Forscherteam der Universität Hamburg hat zum ersten Mal eine durch kontrollierte Dissipation stabilisierte Zeitkristallphase realisiert. Die Forschenden nutzten eine Plattform ultrakalter Atome, in der ein Bose-Einstein-Kondensat stark an einen schmalbandigen optischen Resonator gekoppelt ist. Im Fachblatt Physical Review Letters berichten sie, dass die diskrete Zeittranslationssymmetrie des angetriebenen Systems spontan gebrochen wird und eine subharmonische Reaktion auf den Antrieb entsteht.
Bekanntermaßen kann spontanes Brechen der Translationssymmetrie zur Kristallisation im Raum führen – etwa, wenn sich Wasser um den Gefrierpunkt herum in Eis verwandelt. Nach einem Vorschlag von Nobelpreisträger Franck Wilczek könnte ein ähnliches Phänomen auch in Bezug auf die Zeit auftreten und zu einem so genannten „Zeitkristall" führen. Theoretiker zeigten jedoch, dass dies im thermischen Gleichgewicht oder im Grundzustand eines geschlossenen Systems grundsätzlich verboten ist.
In einem periodisch getriebenen geschlossenen System sind Zeitkristallphasen hingegen möglich. In diesem Szenario ist die kontinuierliche Zeittranslationssymmetrie bereits gebrochen, während eine diskrete Zeittranslationssymmetrie noch besteht. Das Auftreten einer Zeitkristallphase bricht dann diese verbleibende diskrete Zeittranslationsinvarianz. Die Schlüsselsignatur ist eine robuste oszillatorische Antwort des Systems bei einer Eigenfrequenz, die keine höhere Harmonische der Antriebsfrequenz ist.
2017 berichteten Forschungsteams erstmals über die experimentelle Realisierung eines Zeitkristalls. Bei diesen Experimenten musste die unerwünschte Restkopplung an die Umgebung sorgfältig unterdrückt werden, da unerwünschte Dissipation und Dekohärenz die Zeitkristallphase zerstören würden.
In der aktuellen Arbeit, die als Editors' Suggestion veröffentlicht wurde, präsentieren die Forschenden um Prof. Andreas Hemmerich vom Institut für Laserphysik und dem Exzellenzcluster "CUI: Advanced Imaging of Matter" die erste Realisierung eines Zeitkristalls, der durch maßgeschneiderte Dissipation und Fluktuationen stabilisiert wird, induziert durch kontrollierte Kopplung an eine geeignete Umgebung.
Dies stellt eine neue Klasse von Zeitkristallen dar, die als "dissipative Zeitkristalle" bezeichnet werden. Sie konnten in einer Plattform ultrakalter Atome realisiert werden, in der ein Bose-Einstein-Kondensat stark an einen schmalbandigen optischen Resonator gekoppelt ist. „Ein faszinierender Aspekt dieser Forschung ist, dass Dissipation praktisch allgegenwärtig ist und daher die Möglichkeit von dissipationsstabilisierten Zeitkristallen eine bemerkenswert erweiterte Bühne eröffnet, auf der Zeitkristalldynamik auftreten kann“, sagt Hemmerich.
Originalpublikation:
H. Keßler, P. Kongkhambut, C. Georges, L. Mathey, J. Cosme , A. Hemmerich
"Observation of a dissipative time crystal"
Phys. Rev. Lett. In press (2021), highlighted as Editors' Suggestion
DOI: 10.1103/PhysRevLett.127.043602
Viewpoint Article:
Z. Gong und M. Ueda
"Time Crystals in Open Systems"
APS Physics 14, 104 (2021)