Imaging of Matter
Nichtlineare Röntgenstreuung enthüllt exotische Quasiteilchen
3. Juli 2025

Foto: DESY, Xenia Brockmüller
Die Beobachtung von Polariton-Signaturen bei EUV-Wellenlängen eröffnet neue Wege zur Erforschung von Licht-Materie-Wechselwirkungen in der Grundlagenforschung und für die Halbleiterlithographie.
Eine Gruppe von Forschenden von DESY und der Universität Hamburg hat gemeinsam mit Kolleginnen und Kollegen aus Finnland und Frankreich erstmals Polariton-Signaturen bei extrem ultravioletten (EUV) Wellenlängen beobachtet. Bei Polaritonen handelt es sich im Allgemeinen um Hybridzustände, die aus dem Zusammenspiel von Licht- und Materieanregungen entstehen und die meist unter der Voraussetzung starker Kopplung beobachtet werden. Um dieses exotische EUV-Polariton zu entdecken, ging das Forschungsteam jedoch einen besonderen Weg: Sie nutzten einen schwachen nichtlinearen Röntgenstreuprozess, den sie mit sehr hoher Auflösung detektierten. Dies enthüllte die Signatur des EUV-Polaritons und eröffnete ein neues Forschungsfeld, das eine Brücke von der fundamentalen Quantenphysik über nichtlineare Optik bis hin zur Festkörper- und Röntgenphysik schlägt. Die Messungen wurden in Zusammenarbeit mit der Europäischen Synchrotronstrahlungsquelle ESRF durchgeführt und die Ergebnisse wurden in Nature Communications veröffentlicht.
Wenn Photonen, d.h. die Quantenteilchen des Lichts, ein Material durchdringen, treten sie mit verschiedenen Anregungen des Materiesystems in Wechselwirkung, wodurch sie hybridisieren: Ein Photon kann zum Beispiel von einem Elektron absorbiert werden, das dadurch angeregt wird. Gibt dieses Elektron seine Anregung anschließend wieder als Photon ab, bildet das gekoppelte Paar einen neuen, hybriden Zustand aus Licht und Materie - das Polariton. Polaritonen wurden bereits unter verschiedensten Bedingungen und Materialien beobachtet. Dabei handelt es sich jedoch überwiegend um Photonen niedriger Energie, die aus dem infraroten und sichtbaren Spektralbereich stammen, wo die polaritonische Kopplung durch resonante Kavitäten verstärkt wird. Hochenergetische Polaritonen hingegen blieben im Verborgenen - bis jetzt.
Ein radikal neuer Ansatz
Das Team um die DESY-Wissenschaftlerin und CUI-Nachwuchsgruppenleiterin Christina Bömer hat nun einen radikal neuen Ansatz verfolgt: Sie nutzen einen nichtlinearen Röntgenstreueffekt, um ein hochenergetisches EUV-Polariton zu generieren und gleichzeitig nachzuweisen. In ihrem Experiment werden einzelne Röntgenphotonen durch einen Diamantkristall in hochkorrelierte Photonenpaare umgewandelt. Eines dieser Photonen wird auf den EUV-Spektralbereich abgestimmt, wo seine Kopplung mit dem umgebenden Diamanten so stark ist, dass photonische und elektronische Eigenschaften zu einem EUV-Polariton hybridisieren. Das zweite Photon, das bei Röntgenenergie verbleibt, wird zum Nachweis der Streusignatur des neu erzeugten Quasiteilchens verwendet. „Das gestreute Licht zeigt uns die charakteristische Signatur, die es uns erlaubt, das Polariton eindeutig zu identifizieren“, sagt Xenia Brockmüller, Mitautorin der Studie. Für den Nachweis dieser extrem feinen Signaturen entwickelte das Team eine neue impulsaufgelöste Technik an der ESRF-Beamline ID20, die einen noch nie dagewesenen Einblick in den nichtlinearen Streuprozess ermöglicht.
Aus dieser erstmaligen Beobachtung ergeben sich zahlreiche neue Forschungsansätze: „Das EUV-Polariton hat sehr interessante Eigenschaften, die wir in Zukunft sowohl experimentell als auch theoretisch untersuchen wollen“, sagt DESY-Wissenschaftler und Hauptautor der Studie Dietrich Krebs. Ein verbessertes Verständnis der Licht-Materie-Hybridisierung bei EUV-Photonenenergien kann neue Spektroskopietechniken für Festkörperproben eröffnen, während sich das EUV-Polariton aufgrund seiner kurzen Wellenlänge (~10 nm) auch für die Untersuchung von Halbleiterstrukturen auf der nativen Längenskala der EUV-Lithographie empfiehlt. Text: DESY, red.
Originalpublikation
D. Krebs, F. Kerker, X. Brockmüller, Ch. J. Sahle, B. Detlefs, S. Huotari, N. Rohringer & Ch. Bömer
X-ray parametric down-conversion reveals EUV-polariton
Nat. Comm. (2025)