Imaging of Matter
So steuern Quanteneffekte die Photosynthese
7. März 2024

Foto: A. Jha and H.-G. Duan
Wie funktionieren die grundlegenden Mechanismen der photosynthetischen Energieumwandlung? In der Fachzeitschrift Science Advances berichtet ein internationales Forschungsteam unter Beteiligung der Universität Hamburg und des Max-Planck-Instituts für Struktur und Dynamik der Materie, wie insbesondere Quanteneffekte die Photosynthese bestimmen.
Im Laufe von Milliarden Jahren haben pflanzliche Photosynthese-Systeme komplizierte molekulare Architekturen entwickelt, um eine effiziente Energieübertragung bis hin zur Ladungstrennung in der Zellmembran zu ermöglichen. Ein besonders hervorstechender Proteinkomplex ist das Reaktionszentrum des Photosystems II (PSII), denn es trennt Ladungen nach der Photoanregung schnell über Membranen hinweg. „Da die wichtigsten Energie- und Ladungstransferprozesse im PSII-Reaktionszentrum jedoch auf ultraschnellen Zeitskalen ablaufen, ist es extrem schwierig zu verstehen, was die quantengenaue Effizienz dieser Prozesse bedingt“, sagt Prof. Michael Thorwart vom Fachbereich Physik der Universität Hamburg und vom Exzellenzcluster „CUI: Advanced Imaging of Matter“, der die Arbeit gemeinsam mit den früheren CUI-Forschern Prof. Hong-Guang Duan von der Universität Ningbo und Prof. R.J. Dwayne Miller von der Universität Toronto betreute.
Wie bestimmte Effekte Energietransfer und Ladungstrennung lenken
Im Fokus der Forschenden stand die Rolle von Quantenkohärenzen bei der Vermittlung der primären Ladungstransferprozesse im Reaktionszentrum des PSII. Sie wollten verstehen, wie Quanteneffekte die Dynamik von exzitonischen und Ladungstransfer-Zuständen im PSII beeinflussen, insbesondere, wie diese Effekte den Energietransfer und die Ladungstrennung steuern.
Die gängigste Technik zur Untersuchung der komplexen Quantendynamik in der Photosynthese oder in anderen chemischen Prozessen ist die zweidimensionale Spektroskopie. Aufgrund der starken spektroskopischen Stauung waren 2D-Spektren bisher jedoch nicht in der Lage, die diskreten exzitonischen Energiezustände und mit ihnen die Kreuzpeaks, die die Kopplung dieser Zustände darstellen, selbst bei niedrigen Temperaturen bis 77 K aufzulösen.
Dem Team ist es gelungen, mithilfe von 2D-elektronischen spektroskopischen Messungen bei 20 K robuste Beweise für elektronische und Schwingungsquantenkohärenzen zu liefern. Sie konnten die Lebensdauer der elektronischen Kohärenz bei dieser niedrigen Temperatur eindeutig auflösen und die kohärenten Kreuzpeaks in den 2D-Elektronenspektren identifizieren. Die Temperatur ist so niedrig, dass thermische Fluktuationen die Kohärenz nicht auswaschen können. Mit einer strengen theoretischen Beschreibung der Energietransferdynamik, die explizit die System-Bad-Wechselwirkung berücksichtigt und somit die wahre spektrale Verteilung der umgebenden quantenstatistischen Fluktuationen respektiert, konnten sie zudem die Temperaturabhängigkeit klären.
Erkenntnisse für Biochemie, Biophysik und erneuerbare Energien
Durch sorgfältige experimentelle Datenanalyse in Kombination mit gründlichen theoretischen Berechnungen bestimmten die Forschenden den kohärenten Effekt beim photoinduzierten Ladungstransfer der Chromophore Chlorophyll D1, Pheophytin D1, PD2 und PD1. Die Ergebnisse können das Verständnis der grundlegenden Prozesse, die der Photosynthese zugrunde liegen, verbessern, was sich auf verschiedene Bereiche wie Biochemie, Biophysik und die Erforschung erneuerbarer Energien auswirken könnte.
Originalpublikation
A. Jha, P.-P. Zhang, V. Tiwari, L. Chen, M. Thorwart, R. J. D. Miller, Hong-Guang Duan
“Unraveling Quantum Coherences Mediating Primary Charge Transfer Processes in Photosystem II Reaction Center”
Sci. Adv. 10, eadk1312 (2024)