Imaging of Matter
Enzyme in Aktion: Neue 5D-Kristallographie-Methode erfasst Proteindynamik bei physiologischen Temperaturen
30. Juli 2025

Foto: Eike Schulz, Pedram Mehrabi mit ChatGTP
Ein Forschungsteam aus Hamburg hat eine neuartige Methode entwickelt, die zeitaufgelöste Strukturuntersuchungen von Proteinen über einen großen Temperaturbereich hinweg ermöglicht. Über den neuen Ansatz, der als 5D-Serien-Synchrotronkristallographie (5D-SSX) bezeichnet wird, berichtet das Team in Nature Communications. 5D-SSX ermöglicht die Erfassung temperaturaufgelöster Strukturschnappschüsse während enzymatischer Reaktionen und liefert Einblicke in die Proteinfunktion unter nahezu nativen Bedingungen.
Die Temperatur spielt eine entscheidende Rolle bei der Modulation der Enzymaktivität und der Proteindynamik. Allerdings werden die meisten hochauflösenden Proteinstrukturen nach wie vor bei kryogenen Temperaturen ermittelt, die weit von den physiologischen Bedingungen entfernt sind. Die zeitaufgelöste Kristallographie, mit der sich die strukturellen Grundlagen von Katalyse, Allosterie und Ligandenbindung aufdecken lassen, wird in der Regel bei Umgebungstemperaturen durchgeführt. Dadurch können Konformationszustände übersehen werden, die bei physiologischen Temperaturen sichtbar werden.
Ein interdisziplinäres Team von Forschenden der Universität Hamburg und des Exzellenzclusters „CUI: Advanced Imaging of Matter“, des Universitätsklinikums Hamburg-Eppendorf, des Max-Planck-Instituts für Struktur und Dynamik der Materie sowie des Europäischen Molekularbiologischen Labors Hamburg, hat nun eine Methode entwickelt, um diese Einschränkungen zu überwinden. Mithilfe ihrer 5D-SSX-Methode können die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler serielle Synchrotronkristallographie zu definierten Zeitpunkten und bei Temperaturen von unter 10 °C bis über 70 °C durchführen.
Neue Perspektiven für die biomedizinische Forschung
In Proof-of-Concept-Experimenten demonstrierte das Team die temperaturabhängige enzymatische Umwandlung sowohl bei der mesophilen β-Lactamase CTX-M-14 als auch bei der thermophilen Xylose-Isomerase. Die Methode zeigt, wie die Reaktionskinetik und die Konformationslandschaften durch die Temperatur moduliert werden und ermöglicht es Forschenden, Enzymmechanismen unter biologisch relevanten Bedingungen zu untersuchen.
„Unsere Methode bietet eine vielseitige Plattform, um die Enzymdynamik als Funktion der Zeit über einen weiten Temperaturbereich hinweg zu untersuchen – mit anderen Worten, bei Temperaturen, bei denen die Enzyme natürlich vorkommen, wie beispielsweise im menschlichen Körper“, sagt Dr. Pedram Mehrabi, Emmy-Noether-Gruppenleiter an der Universität Hamburg.
Dr. Eike C. Schulz, Leiter einer vom BMFTR und ERC finanzierten Forschungsgruppe am UKE und Cluster-Forscher, fügt hinzu: „5D-SSX eröffnet völlig neue Perspektiven für die biomedizinische Forschung. Das Verständnis der Dynamik von Proteinen unter realistischen Bedingungen ist von entscheidender Bedeutung, insbesondere bei der Entwicklung von Antibiotika oder der Aufklärung krankheitsrelevanter Mechanismen.“
Originalpublikation
E. C. Schulz, A. Prester, D. von Stetten, G. Gore, C. E. Hatton, K. Bartels, J.-Ph. Leimkohl, H. Schikora, H. M. Ginn, F. Tellkamp, P. Mehrabi
Probing the modulation of enzyme kinetics by multi-temperature, time-resolved serial crystallography
Nature Communications 16, 6553 (2025)