Imaging of Matter
Kritisches Verhalten hilft bei der Klassifizierung von dynamischen Phasenübergängen
7. November 2023
Foto: AG Mathey
Ein Forschungsteam aus Hamburg, Oxford und Hannover/Abu Dhabi hat das universelle Verhalten eines dynamischen Phasenübergangs identifiziert. Im renommierten Fachmagazin „Science“ berichten die Forschenden über ihre Erkenntnisse, die beispielsweise für die Entwicklung empfindlicher Quantensensoren von Bedeutung sein könnten.
Phasenübergänge treten in allen Bereichen der Physik auf und sind ein zentrales Thema der Vielkörperphysik. Die Beispiele reichen vom einfachen Übergang von Eis zu Wasser bis hin zur hochkomplexen Bose-Einstein-Kondensation ultrakalter atomarer Gase. „Phasenübergänge treten bei einer solchen Vielfalt von Systemen auf, dass es auf den ersten Blick unmöglich erscheint, sie sinnvoll zu organisieren“, erklärt Prof. Ludwig Mathey vom Fachbereich Physik der Universität Hamburg und Forscher im Exzellenzcluster „CUI: Advanced Imaging of Matter“. Allerdings lassen sich die Übergänge in eine kleine Anzahl von Klassen unterteilen. Diese sogenannten Universalitätsklassen umfassen Phasenübergänge in sehr unterschiedlichen Systemen, von kalten Atomsystemen bis hin zu Neutronensternen. Was sie jeweils eint, ist ihr sogenanntes kritisches Verhalten.
Forschende untersuchten „Quench"-Szenario in einer zweidimensionalen Atomwolke
Die Standard-Phasenübergänge sind Gleichgewichtsübergänge, für die bereits eine Klassifizierung getroffen werden konnte. „Wir stellten uns nun die Frage, ob sich auch Nicht-Gleichgewichtsphasenübergänge über ihr kritisches Verhalten klassifizieren lassen“, sagt Mathey. Zu diesem Zweck untersuchten die Forschenden ein sogenanntes „Quench"-Szenario, bei dem ein Systemparameter schnell geändert und die darauffolgende Dynamik erfasst wird.
Konkret betrachteten die Forschenden eine Atomwolke in zwei Dimensionen, die einen Kosterlitz-Thouless-Übergang (BKT-Übergang) durchläuft, und identifizierten das universelle Verhalten: Dabei stellten sie fest, dass sich bei diesem dynamischen Phasenübergang Wirbelpaare aus den Fluktuationen der Atomwolke herausbilden. Mithilfe der sogenannten Echtzeit-Renormalisierungsmethode ist es ihnen dann gelungen, den zeitlichen Ablauf zu beschreiben.
Diese Erkenntnisse sind ein wichtiger Schritt zu einem besseren Verständnis der Vielkörperdynamik, insbesondere des dynamischen Phasenübergangs. Einige Eigenschaften dieser Phasenübergänge könnten möglicherweise zur Verstärkung bestimmter Effekte genutzt werden, was zu einer erhöhten Empfindlichkeit etwa eines Quantensensors führen würde.
Originalpublikation:
Shinichi Sunami, Vijay Pal Singh, David Garrick, Abel Beregi, Adam J. Barker, Kathrin Luksch, Elliot Bentine, Ludwig Mathey, and Christopher J. Foot
„Universal scaling of the dynamic BKT transition in quenched 2D Bose gases"
Science 381, 443 (2023)