Imaging of Matter
Röntgenstrahlen erhellen das Aufbrechen einer der stärksten Bindungen der Natur
8. Juni 2023

Foto: Raphael Jay
Der Einsatz kurzer Röntgenlichtblitze bringt Forschende der Entwicklung besserer Katalysatoren einen großen Schritt näher, um das Treibhausgas Methan in eine weniger schädliche Chemikalie umzuwandeln. Eine in der Fachzeitschrift Science veröffentlichte Forschungsstudie zeigt zum ersten Mal, wie ein Katalysator die Bindung zwischen einem Kohlenstoff- und einem Wasserstoffatom in Alkanen bricht.
Methan, eines der stärksten Treibhausgase, wird durch die Viehzucht und das fortschreitende Auftauen des Permafrosts in zunehmendem Maße in die Atmosphäre freigesetzt. Die Umwandlung von Methan und längerkettigen Alkanen in weniger schädliche und sogar nützliche Chemikalien würde die damit verbundenen Klimagefahren beseitigen und im Gegenzug große Mengen Rohstoff für die chemische Industrie verfügbar machen. Die Umwandlung von Methan erfordert jedoch in einem ersten Schritt das Aufbrechen einer C-H-Bindung, einer der stärksten chemischen Bindungen in der Natur.
Bereits vor vierzig Jahren wurden molekulare Metallkatalysatoren entdeckt, die C-H-Bindungen relativ leicht spalten können. Nur ein kurzer Blitz sichtbaren Lichts war nötig, um den Katalysator „einzuschalten“ und, wie von Zauberhand, die starken C-H-Bindungen von nahegelegenen Alkanen ohne zusätzlichen Energieaufwand zu brechen.
„Trotz der immensen Bedeutung des Aufbrechens chemischer Bindungen war es aufgrund der Geschwindigkeit solcher Reaktionen auf kleinsten Längenskalen unterhalb eines Nanometers nicht möglich, den Katalysator in einer Flüssigkeit beim Bruch der C-H-Bindung eines Moleküls zu beobachten. Es gab einfach keine experimentelle Möglichkeit, in einer Flüssigkeit aus Millionen gleicher und sich ständig bewegender Molekülen die wenigen Moleküle zu beobachten, deren C-H-Bindungen als nächstes gebrochen würden", sagt Nils Huse, Professor für Physik an der Universität Hamburg und Forscher im Exzellenzcluster „CUI: Advanced Imaging of Matter".
Nun konnten die Forschenden zum ersten Mal einem Katalysator direkt bei der Arbeit zusehen und zeigen, wie C-H-Bindungen aufgebrochen werden. Die neue Forschungsstudie wurde von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern der Universität Uppsala in Zusammenarbeit mit dem Paul Scherrer Institut in der Schweiz, der Universität Stockholm, der Universität Hamburg im Rahmen des Exzellenzclusters „CUI: Advanced Imaging of Matter“ und dem European XFEL in Deutschland durchgeführt.
Zwei Experimente zeigten den ausbalancierten Austausch von Elektronen
In zwei Experimenten am Paul Scherrer Institut in der Schweiz konnten die Forschenden den ausbalancierten Austausch von Elektronen zwischen einem Rhodium-Katalysator und einer C-H-Gruppe von Oktan während des Bindungsbruchs verfolgen.
„Die von uns durchgeführten zeitaufgelösten Röntgenabsorptionsexperimente sind nur an Großforschungsanlagen wie dem SwissFEL und der Swiss Light Source möglich, die extrem helle und kurze Röntgenpulse liefern. Der Katalysator ist in eine dichte Oktanlösung eingebettet, aber durch die Verfolgung des Bindungsbruchs aus der Perspektive des Katalysatormetallions konnten wir gezielt die eine C-H-Bindung aus Hunderten von Tausenden beobachten, die aufgebrochen wurde", erklärt Raphael Jay, Forscher an der Universität Uppsala und leitender Experimentator der Studie.
So konnte die Reaktion von Anfang bis Ende verfolgt werden, von der ersten lichtinduzierten Aktivierung des Katalysators innerhalb von 400 Femtosekunden (0,0000000000004 Sekunden) bis zum endgültigen Aufbrechen der C-H-Bindung nach 14 Nanosekunden (0,000000014 Sekunden).
Theoretiker-Teams interpretierten die komplexen Daten
Um die komplexen experimentellen Daten zu interpretieren, taten sich Theoretiker der Universität Uppsala und der Universität Stockholm zusammen und führten komplexe quantenchemische Simulationen durch.
„Unsere Berechnungen ermöglichen es uns, klar zu erkennen, wie die elektronische Ladung zwischen dem Metallkatalysator und der C-H-Gruppe in genau dem richtigen Verhältnis fließt. Wir können sehen, wie Ladung, die vom Metall auf die C-H-Bindung übertragen wird, das Metalion und die C-H-Gruppen zusammenklebt. Eine Ladung, die in die entgegengesetzte Richtung fließt, wirkt stattdessen wie eine Schere, die schließlich das C- und das H-Atom voneinander trennt", erklärt Ambar Banerjee, Postdoktorand an der Universität Uppsala und leitender Theoretiker der Studie.
Die Studie löst ein vierzig Jahre altes Rätsel, wie ein aktivierter molekularer Katalysator tatsächlich starke C-H-Bindungen aufbrechen kann, indem er in ausbalancierter Weise Bruchteile von Elektronen austauscht, ohne dass große Temperaturen oder Druck erforderlich sind. Mit ihrem neuen Werkzeug wollen die Forschenden als Nächstes herausfinden, wie sich der Elektronenfluss lenken lässt, um bessere Katalysatoren für die chemische Industrie zu entwickeln, damit aus Methan und anderen Alkanen etwas Nützliches entstehen kann.
Pressemitteilung der Universität Uppsale mit Kontakten
Originalpublikation
R. M. Jay, A. Banerjee1, T. Leitner et al.
"Tracking C-H activation with orbital resolution"
Science (2023)