Imaging of Matter
Seltene Einblicke in das Wachstum von Nanopartikeln
29. August 2022

Foto: CC BY 4.0 International License, link: https://creativecommons.org/licenses/by/4.0/
Wie genau bilden sich Nanopartikel in Lösungen? Forschende vom Fachbereich Physik der Universität Hamburg und von DESY konnten das Wachstum von Nanopartikeln in Lösung jetzt in Echtzeit beobachten. Im Fachblatt „Nature Communications“ berichten sie über ihre Beobachtungen mit Hilfe der Methode der Röntgenptychographie, die den mikroskopischen Blick auf die dynamischen Prozesse ermöglicht.
Hohle Nanopartikel mit Größen im Bereich von mehreren hundert Nanometern (ein Nanometer ist ein millionstel Millimeter) haben weitreichendes Anwendungspotenzial. Sie werden als Verbundwerkstoffe für Hochleistungselektroden in Lithium-Ionen-Batterien, zur (photo-) katalytischen Energiegewinnung und als Sensoren eingesetzt. "Um die gewünschte Funktionalität und Leistungsfähigkeit zu erreichen, ist es aber entscheidend, dass wir die Struktur und Form der Nanopartikel während ihres Wachstums genau kontrollieren können", sagt Erstautor Lukas Grote, Doktorand in der Gruppe von Dorota Koziej, Professorin an der Universität Hamburg und im Exzellenzcluster "CUI: Advanced Imaging of Matter".
Die Wege, auf denen sich komplexe Materialien bilden, sind vielfältig. Da es bislang nur wenige geeignete experimentelle Methoden gibt, ist es eine große Herausforderung, den Verlauf der zugrunde liegenden Veränderungen der Nanopartikel zu verstehen und zu kontrollieren.
Echtzeit-Mikroskopie zeigt vielfältige Wachstumswege
Mikroskopietechniken, die solche Prozesse in Echtzeit verfolgen können, sollen dieses Problem lösen: Die Flüssigkeitszellen-Transmissionselektronenmikroskopie (TEM) ermöglicht eine räumliche Auflösung auf atomarer Skala. Allerdings lässt sie sich nur bedingt auf das Wachstum von Nanopartikeln in Lösungen anwenden, da sie dünne Reaktoren mit kleinen Volumina erfordert, die wiederum den Verlauf der Reaktion verändern können. Die Röntgenmikroskopie mit Synchrotronstrahlung überwindet diese Einschränkungen. Harte Röntgenstrahlen sind in der Lage, dicke chemische Reaktoren zu durchdringen, und ermöglichen somit die Abbildung der darin wachsenden Nanopartikel mit einer räumlichen Auflösung von bis zu 10 Nanometern. "Die Methode der Röntgenptychographie, bei der aus der Überlagerung im Gleichtakt schwingender Röntgenlichtwellen rechnerisch ein Bild gewonnen wird, erweitert diese Vorteile noch, denn sie gibt uns die Möglichkeit, Bilder quantitativ zu interpretieren“, erklärt Grote. Damit ist es möglich, Rückschlüsse auf die dreidimensionale Form der Nanopartikel zu ziehen.
Röntgen-Ptychographie ermöglicht Modellierung von Nanopartikeln in 3D
Für ihre aktuelle Studie nutzte das Team die Experimentierstation P06 an DESYs Röntgenlichtquelle PETRA III gemeinsam mit der Forschungsgruppe von Professor Christian Schroer. „Ziel war es, das Wachstum von Kupferoxid-Nanowürfeln und ihre anschließende Umwandlung in hohle Kupferstrukturen durch Röntgenptychographie live zu verfolgen“, erläutert Schroer. Die Forschenden rekonstruierten separate zweidimensionale Bilder von Partikeln, die am Eingangs- und Ausgangsfenster des Reaktors wuchsen, und verfolgten die Entwicklung einzelner Nanowürfel. Aus den so gewonnenen Daten berechneten sie die Dicke der Partikel, wodurch sie den gesamten Wachstums- und Umwandlungsprozess in 3D ableiten konnten: Auf den Reaktorfenstern wachsende Partikel zeigten eine flachere Form, während die Partikel in der Lösung eine Würfelform annahmen. Die Nanowürfel wurden schließlich in einer Festkörperreaktion zu metallischem Kupfer reduziert. Dabei bildeten sich in der Mitte der Partikel Hohlräume, die sich zur Oberfläche hin ausdehnten und zu hohlen Nanowürfeln führten.
„Solche seltenen visuellen Einblicke in strukturelle Veränderungen in Lösung sind wichtig, um besser zu verstehen, wie sich verschiedene Formen in Nanomaterialien bilden“, sagt Koziej. „Das ist ein Schlüsselfaktor für die Entwicklung hochaktiver Katalysatoren und Sensoren mit hoher Sensitivität.“ Die Methode kann auf eine Vielzahl von Materialien und Reaktionsbedingungen angewendet werden und komplementiert die Möglichkeiten der Flüssigzellen-TEM.
An der Arbeit waren Forscherinnen und Forscher der Universität Hamburg, des italienischen Nationalen Forschungsrats, der Universität Cambridge in Großbritannien, der Sao Paulo State University in Brasilien, des Paul-Scherrer-Instituts in der Schweiz und von DESY beteiligt.
Originalpublikation
Lukas Grote, Martin Seyrich, Ralph Döhrmann, Sani Y. Harouna-Mayer, Federica Mancini, Emilis Kaziukenas, Irene Fernandez-Cuesta, Cecilia A. Zito, Olga Vasylieva, Felix Wittwer, Michal Odstrčzil, Natnael Mogos, Mirko Landmann, Christian G. Schroer and Dorota Koziej
“Imaging Cu2O nanocube hollowing in solution by quantitative in situ X-ray ptychography”
Nature Communications 13, 4971 (2022)
DOI: 10.1038/s41467-022-32373-2