Imaging of Matter
Hohe harmonische Schwingungen beleuchten die Bewegungen von Atomen und Elektronen
5. Juli 2022

Foto: Jörg Harms, MPSD
Laserlicht kann die Eigenschaften fester Materialien radikal verändern und sie sehr schnell supraleitend oder magnetisch machen oder in andere Zustände versetzen. Das intensive Licht bewirkt diese Veränderungen innerhalb von Millionstel Milliardstel Sekunden, indem es dessen Atomgitterstruktur „schüttelt“ und die Elektronen in Bewegung versetzt. Aber was genau geschieht auf dieser elementaren Ebene? Wie bewegen sich die Atome und Elektronen tatsächlich?
Nun hat ein Theorieteam am Max-Planck-Institut für Struktur und Dynamik der Materie (MPSD), dem Prof. Angel Rubio angehört und im Exzellenzcluster "CUI: Advanced Imaging of Matter" forscht, einen neuen Weg gefunden, um diese atomaren Bewegungen zu beleuchten. In der Fachzeitschrift PNAS beschreiben die Forscher, wie ein Laserpuls eine Lichtemission mit höheren Frequenzen aus dem Material erzeugt – die so genannten höheren Harmonischen. Dieses hochenergetische Licht bleibt jedoch nicht gleich, sondern ändert sich mit jeder Bewegung des Gitters. Durch ihre variierende Intensität liefern die hohen Harmonischen so „Schnappschüsse" der atomaren und Elektronenbewegungen zu jedem genauen Zeitpunkt.
Das Team untersuchte eine Monoschicht aus hexagonalem Bornitrid (hBN) mit einer Dicke von nur einem Atom, deren Gitter in einigen zehn Femtosekunden zu Schwingungen angeregt werden kann. Nachdem ein erster „Pump“-Laserpuls kollektive Bewegung der Atome im Material ausgelöst hat, verstärkt ein zweiter Infrarot-Laserpuls die Bewegung der Elektronen, so dass sie Licht mit neuen Frequenzen - den hohen Harmonischen - aussenden. Diese Frequenzen enthalten Informationen über die Gitterschwingungen (auch Phononen genannt) und geben Wissenschaftler*innen so detaillierte neue Einblicke in diese atomaren Bewegungen.
Die Ergebnisse des Teams stellen einen großen Fortschritt im Verständnis der grundlegenden Veränderungen in einem festen Material dar, das intensiven Laserlicht ausgesetzt wird. Der Ansatz trumpft zudem mit seiner Effizienz, denn bislang konnten diese elementaren Bewegungen nur mit viel leistungsstärkeren Lichtquellen beobachtet werden.
Darüber hinaus zeigte das Team, dass auch die einzelnen Phasen des ersten Lasers die Wechselwirkung zwischen dem Licht und der hBN-Schicht beeinflussen, sobald ihre Atome zu schwingen beginnen. Dies erlaubt es Wissenschaftler*innen, genau zu bestimmen, welche Bewegung im Gitter durch welche Phase im optischen Zyklus des Lasers ausgelöst wurde – als ob sie zu bestimmten Zeitpunkten eine Stoppuhr starten würden. Das Team hat somit eine leistungsstarke spektroskopische Technik mit extremer zeitlicher Auflösung entwickelt. Mit diesem Ansatz können Gitterbewegungen bis auf eine Femtosekunde genau aufgezeichnet werden – und zwar ohne weitaus aufwändigere hochenergetische Röntgenstrahlen oder Attosekundenpulse.
„Das wichtigste Ergebnis dieser Arbeit besteht darin, dass sie eine Grundlage liefert, um zu verstehen, welche Rolle Phononen in nichtlinearen Licht-Materie-Wechselwirkungen spielen“, sagt Hauptautor Ofer Neufeld von der MPSD-Theorieabteilung. „Mit diesem Ansatz können wir die Femtosekunden-Strukturdynamik in Festkörpern untersuchen, einschließlich der Phasenübergänge, gemischten Licht-Materie-Zustände und auch der Kopplung zwischen Elektronen und Phononen." Text: MPSD
Originalpublikation:
O. Neufeld, J. Zhang, U. de Giovannini, H. Hübener, A. Rubio
"Probing phonon dynamics with multidimensional high harmonic carrier-envelope-phase spectroscopy"
PNAS 2022 Vol. 119 No. 25 e2204219119