Imaging of Matter
Topologische Bänder nach Belieben
7. März 2022

Foto: UHH/MIN/Schneider
Lineare magnetische Ketten auf der Oberfläche eines elementaren Supraleiters können topologisch nichttriviale Bänder in ihrem Inneren und als Konsequenz daraus an ihren Enden exotische Majorana-Moden zeigen. Es ist jedoch sehr herausfordernd, diese Bänder maßzuschneidern und „auf Abruf“ zu realisieren. Wissenschaftler vom Fachbereich Physik der Universität Hamburg haben nun einen Weg dorthin in einer bottom-up-Strategie aufgezeigt: Indem sie einzelne magnetische Atome mit der Spitze eines Rastertunnelmikroskops positionierten, konnten sie die Ausbildung von Bändern in einer Magnetkette während ihres Wachstumsprozesses verfolgen. Die Studie wurde im Journal Nature Nanotechnology veröffentlicht.
Majorana-Moden (MM) in Festkörpersystemen sind aufgrund ihrer faszinierenden und exotischen Eigenschaften von großem Interesse für die Grundlagenforschung. Aber darüber hinaus dürften Majorana-basierte Elemente auch zu den führenden Kandidaten für Qubits der nächsten Generation gehören. Es wird vorhergesagt, dass MM an den Grenzflächen von topologisch nichttrivialen Supraleitern auftreten, zum Beispiel an den Enden eindimensionaler Magnetketten in Kontakt mit einem normalen, elementaren Supraleiter. Obwohl mehrere experimentelle Arbeiten über den Nachweis von MM berichten, wurde bis dato noch kein vollständig schlüssiger Beweis für ihre Existenz erbracht. Insbesondere erachtet es die Forschung für wichtig, Signaturen von MM zusammen mit einer topologisch nichttrivialen Bandstruktur im Inneren der entsprechenden Probe zu finden.
Die optimale geometrische Struktur für Magnetketten
Nun hat ein Team von Physikern in der Forschungsgruppe von Prof. Roland Wiesendanger an der Universität Hamburg eine Plattform vorgestellt, mit der sich topologische Bänder nahezu beliebig maßschneidern lassen. Die Wissenschaftler, die auch im Exzellenzcluster „CUI: Advanced Imaging of Matter“ forschen, untersuchten einzelne Mangan-Atome, die auf einer atomar sauberen supraleitenden Niob-Oberfläche adsorbiert sind. Das magnetische Moment der Adatome induziert lokal elektronische Zustände innerhalb der Bandlücke des Supraleiters, die sogenannten Yu-Shiba-Rusinov (YSR)-Zustände. Wenn mehrere Adatome nahe nebeneinander positioniert werden, interagieren ihre YSR-Zustände und bilden schließlich Bänder. „Interessanterweise sind die YSR-Zustände räumlich anisotrop. Daher hängt ihre Kopplung – und folglich die Ausbildung der Bänder in eindimensionalen Ketten – von der kristallographischen Richtung zwischen den Adatomen ab“, erläutert Lucas Schneider, Erstautor der Studie und Postdoc in der Forschungsgruppe. „Auf diese Weise haben wir die optimale geometrische Struktur für Magnetketten gefunden, um eine topologisch nichttriviale Bandstruktur auszubilden.“
Spektroskopische Signaturen von Endzuständen entsprechen MMs-Vorläufern
Wenn das Innere einer Kette nichttrivial ist, sagt das „Bulk-boundary-correspondence“-Prinzip topologischer Materie das Auftreten von MM an den Enden der Ketten voraus. Tatsächlich fanden die Forscher spektroskopische Signaturen von Endzuständen, die mit den Vorläufern von MMs übereinstimmen, die nur durch die endliche Länge der experimentell realisierten Ketten begrenzt sind. Aus diesem Grund zeigen sie charakteristische Energieoszillationen in Abhängigkeit von der Kettenlänge. Da diese Energieoszillationen sich an beiden Kettenenden stets synchron verhalten, schließen die Forscher eine Interpretation der Endzustände durch lokale Unordnung aus.
„Diese Ergebnisse werden unser Verständnis darüber deutlich vertiefen, wie topologisch supraleitende Phasen in Festkörpersystemen entstehen – und sie sind richtungsweisend auf dem Weg zur Entwicklung topologisch geschützter Majorana-Moden“, sagt Lucas Schneider.
Originalpublikation
L. Schneider, Ph. Beck, J. Neuhaus-Steinmetz, L. Rózsa, Th. Posske, J. Wiebe and R. Wiesendanger
"Precursors of Majorana modes and their length-dependent energy oscillations probed at both ends of atomic Shiba chains"
Nature Nanotechnology (2022)
DOI: 10.1038/s41565-022-01078-4
Weitere Informationen
Prof. Dr. Prof. h.c. Dr. h.c. Roland Wiesendanger
Department of Physics
University of Hamburg
Jungiusstr. 9a
20355 Hamburg
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E-Mail: wiesendanger@physnet.uni-hamburg.de (wiesendanger"AT"physnet.uni-hamburg.de)