Imaging of Matter
Kicken der Atome induziert Transparenz
13. Januar 2021

Foto: © University of Trieste / INSRL
Photoelektronische Geräte basieren auf der Grundlage, dass ihre Materialien Licht absorbieren, übertragen und reflektieren. Das Verständnis der Photoeigenschaften eines bestimmten Materials auf atomarer Ebene hilft nicht nur bei der Entscheidung, welches Material für eine bestimmte Anwendung geeignet ist, sondern ermöglicht auch die gezielte Steuerung dieser Eigenschaften. Nun haben Forschende aus Italien, Deutschland und den Vereinigten Staaten gezeigt, dass das ‘Kicken’ der Atome eines CuGeO3-Kristalls mit einem Infrarot-Laserpuls das Material nicht nur transparent macht, sondern dass die Transparenz dann auf einer ultraschnellen Femtosekunden-Skala gesteuert werden kann. Dieses Ergebnis ebnet den Weg für die weitere Anwendung des Atomkicking-Schemas, um andere Phänomene wie z.B. die Supraleitung zu verbessern. Die Ergebnisse dieser Zusammenarbeit wurden in Nature Physics veröffentlicht.
Das Design komplexer Materialien mit neuen Funktionalitäten ergibt sich oft aus dem Zusammenspiel verschiedener Materiekomponenten, wie den Elektronen und Kristallschwingungen - den sogenannten Phononen. Die Kopplung zwischen diesen Materiekomponenten kann inkohärenter oder kohärenter Natur sein. Während ersteres in der Regel durch die temperaturbedingten Kernfluktuationen zustande kommt, wird letzteres erreicht, wenn sich die Kristallschwingungen und die elektronischen Anregungen mit gleicher Frequenz und konstanter Phasendifferenz im Material ausbreiten.
Hier nutzen die Forschenden die resonante Schwingungsanregung, um das Kristallfeld um die Cu2+-Ionen in einem CuGeO3-Kristall kohärent zu steuern. Dieses Material ist vor allem aus zwei Gründen ideal: Die Phononen können selektiv durch Laserpumpen im mittleren Infrarot angeregt werden und die drei charakteristischen d-d-Elektronenübergänge bei hoher Energie (etwa 1,7eV) sind von anderen spektralen Merkmalen, die die Elektron-Phonon-Kopplung stören könnten, isoliert.
Kohärente Schwingungsbewegung
Insbesondere die resonante Anregung IR-aktiver Phononenmoden, die nichtlinear an Raman-aktive Phononenmoden gekoppelt sind, führt zu einer kohärenten Schwingungsbewegung des apikalen Sauerstoffs, die die Energie und Oszillatorstärke des Orbitalübergangs zwischen verschiedenen Kristallniveaus an Cu2+-Ionen dynamisch kontrolliert. Durch die Kontrolle der Parameter der Phononenpumpschemata ist es dann möglich, eine Transparenz im Energiefenster der d-d-elektronischen Übergänge zu erreichen.
„Es ist faszinierend, wie unterschiedliche Materieanregungen aus völlig verschiedenen Energiebereichen kohärent interagieren und die makroskopischen Eigenschaften eines Kristalls beeinflussen können", sagt Simone Latini, Post-Doc und ehemaliger Humboldt-Stipendiat am Max-Planck-Institut für Struktur und Dynamik der Materia. „Wir untersuchen derzeit, ob ein ähnliches Phänomen auch anderswo zu beobachten ist, und wir haben Hinweise, dass es in zweidimensionalen Materialien wie WS2 vorhanden sein könnte."
Enge mikroskopische Beziehungen
„Diese Studie zeigt, wie weit wir experimentell in Bezug auf die Kontrolle von Materie mit ultrakurzen Lichtpulsen gekommen sind", sagt Alexandre Marciniak, der zusammen mit Stefano Marcantoni von der Universität Triest Erstautor dieser Arbeit ist. „Es ist in der Tat bemerkenswert, wie wir die engen mikroskopischen Beziehungen zwischen Anregungen in einem Material enthüllen können und wie dieses Verständnis dabei helfen wird, funktionale Geräte herzustellen, die bei Bedarf transparent werden können."
Das Projekt, das hauptsächlich vom Europäischen Forschungsrat (ERC) finanziell unterstützt wurde (Projekt INCEPT), wurde im Q4Q-Labor unter der Leitung von Daniele Fausti von der Universität Triest beim Elettra-Sincrotrone Trieste durchgeführt. Das theoretische Modell wurde in der Gruppe von Fabio Benatti an der Universität Triest entwickelt, in Zusammenarbeit mit Forschenden aus der Gruppe von Ángel Rubio am MPSD und Jeroen van den Brink am IFW / Institut für Theoretische Physik in Dresden.
„Diese Arbeit eröffnet neue Wege zur Kontrolle und zum Design von Phänomenen in korrelierten und topologischen Materialien“, so MPSD-Theorie-Direktor Ángel Rubio, der auch im Exzellenzcluster „CUI: Advanced Imaging of Matter" forscht. Text: MPSD, red.
Originalpublikation
A. Marciniak, S. Marcantoni, F. Giusti, F. Glerean, G. Sparapassi, T. F. Nova, A. Cartella, S. Latini, F. Valiera, A. Rubio, J. van den Brink, F. Benatti, D. Fausti
"Vibrational coherent control of localized d–d electronic excitation"
Nature Physics (2021)