Imaging of Matter
Untersuchung ferromagnetischer Ordnung mit Hilfe von Spin-Austausch-Dynamik
15. Mai 2019

Foto: UHH, AG Schmelcher
Wissenschaftler des Zentrums für Optische Quantentechnologien an der Universität Hamburg haben eine unkonventionelle ferromagnetische Ordnung identifiziert, die in eindimensionalen Systemen mit wenigen wechselwirkenden quantenmechanischen Teilchen auftritt. Diese neue Ordnung hängt mit der Verschränkung innerhalb des Systems zusammen und eröffnet neue Forschungsmöglichkeiten im Gebiet des Quanten-magnetismus. Die Wissenschaftler berichten im New Journal of Physics über ihre Erkenntnisse.
Die magnetischen Eigenschaften freier, delokalisierter Elektronen in elektrischen Leitern lassen sich qualitativ mit Hilfe der Stoner-Instabilität verstehen. Diese tritt auf, wenn die Coulomb-Abstoßung zweier Elektronen unterschiedlicher Spin-Ausrichtung (up und down) stärker ist als der Energiegewinn durch einen Übergang in ein Pauli Elektronen-Paar, einem abgesehen vom Spin gleichen Zustand der beiden Elektronen. Als Konsequenz solcher Bedingungen ist die vollständige oder zumindest teilweise Polarisierung, also die einheitliche Spin-Ausrichtung der Elektronen, energetisch günstig. „Um diese Art von Mechanismus zu erzeugen und zu überprüfen, versuchen Experimentatoren neuerdings ultrakalte fermionische atomare Gase zu benutzen. Allerdings ergibt sich in solchen Systemen eine Art Wettstreit zwischen der Stoner-Instabilität und einem Molekülbildungsprozess“, erklärt Prof. Peter Schmelcher. „Aufgrund dieses Wettstreits konnte die Stoner-Instabilität in ultrakalten Atomen bisher nicht eindeutig nachgewiesen werden.“
Dank neuester Entwicklungen im Gebiet der ultrakalten Atome ist es jetzt möglich, wenige ultrakalte Fermionen in länglichen Fallen, die als quasi-eindimensionale Umgebung fungieren, experimentell zu verwirklichen. In solchen Systemen ist der Molekülbildungsprozess stark unterdrückt. Diese Tatsache nutzten die Wissenschaftler, die Mitglieder des Exzellenzclusters „CUI: Advanced Imaging of Matter“ sind, um die dynamische Stabilität eines vollständig polarisierten fermionischen Systems von theoretischer Seite zu untersuchen. Das Treiben, also die Beeinflussung, der Spins im System ermöglicht es, die auftretende ferromagnetische Ordnung, die in der Nicht-Gleichgewichtsdynamik auftritt, zu identifizieren und zu charakterisieren.
Im Detail konnten die Forscher zeigen, dass die Spin-Polarisierung der eindimensionalen Fermionen nicht unabhängig von der Wechselwirkungsstärke stabil ist – eine Tatsache, die der Vorhersage der Stoner-Instabilität widerspricht. Insbesondere wiesen sie die Existenz eines Bereichs in der Wechselwirkungsstärke nach, in dem die Korrelationen zwischen den Spins eine neue Schlussfolgerung erlaubt: Während der gesamten Dynamik sind die Spins vollständig parallel ausgerichtet, aber in welche Richtung sie zeigen, fluktuiert. Die auftretende magnetische Ordnung resultiert aus einer Superposition von Zuständen maximalen Gesamtspins, allerdings in unterschiedlichen Richtungen. Darüber hinaus konnte das Team um Prof. Schmelcher die besondere Rolle der Verschränkung innerhalb dieses Systems während des Zerfalls der Spin-Polarisierung herausarbeiten. So konnten sie zeigen, dass das System sich hin zu einem vollständig unpolarisierten NOON-artigen Verschränkungszustand entwickelt.
„Im Grunde dreht sich diese Arbeit um den parabolischen Einschluss der Teilchen“, erklärt Prof. Schmelcher. „In der wissenschaftlichen Literatur spekuliert man, dass die Eigenschaften des Ferromagnetismus von der Form des einschließenden Potentials abhängen. Bei uns ist das die Form der äußeren Falle. Das ist doch eine faszinierende Forschungsrichtung, wenn wir versuchen herauszufinden, ob man die Art des Einschlusses der Teilchen benutzen kann um die magnetischen Eigenschaften von fermionischen Systemen zu steuern. Außerdem wäre es spannend zu untersuchen, ob ähnliche Ordnungen auch in höherdimensionalen Versuchsanordnungen auftreten.“
Originalveröffentlichung:
G.M. Koutentakis, S.I. Mistakidis, und P. Schmelcher
“Probing Ferromagnetic Order in Few-Fermion Correlated Spin-Flip Dynamics”
New Journal of Physics 21, 053005 (2019)