Imaging of Matter
Ultraschnell trifft ultrakurz: CUI-Team erhält renommierten ERC Synergy Grant für IDEAA-Projekt
6. November 2025

Foto: privat
Ein Forschungsteam des Exzellenzclusters „CUI: Advanced Imaging of Matter” der Universität Hamburg und von DESY wurde mit dem renommierten Synergy Grant des Europäischen Forschungsrats ausgezeichnet. Das Team erhält 14 Millionen Euro, um die Bildgebung im atomaren Maßstab mit der mit dem Nobelpreis ausgezeichneten Attosekunden-Wissenschaft, der derzeit fortschrittlichsten ultraschnellen Bildgebung von Materie, zu kombinieren.
Synergy Grants gehören zu den renommiertesten Förderungen in der Europäischen Union und würdigen herausragende wissenschaftliche Leistungen sowie einzigartige Zusammenarbeit. Das erfolgreiche Projekt IDEAA (Imaging the Dynamics of Electrons at Attosecond and Ångstrom Resolution) wurde von Dr. Saša Bajt, Prof. Francesca Calegari, Prof. Henry Chapman und Prof. Nina Rohringer initiiert. Ziel ist es, die Bewegungen von Elektronen in komplexen organischen Molekülen zu beobachten. Diese Informationen sind der Schlüssel zum vollständigen Verständnis der elektronischen Grundlagen der Chemie und ein wichtiger Schritt zur Steuerung chemischer Reaktionen: ein Paradigmenwechsel in unserem Verständnis der Natur sowie in den Bereichen Chemieingenieurwesen, Arzneimittelentwicklung und industrielle Prozesse.
„Wir waren die Ersten, die Attosekunden-Lichtquellen genutzt haben, um die ultraschnelle Wanderung elektronischer Ladungen in komplexen Molekülen zu ‚filmen‘. Solche Filme über die Elektronendynamik konnten jedoch bislang nur durch die Kombination von Theorie und indirekter spektroskopischer Beobachtung in Experimenten erzeugt werden“, sagt Francesca Calegari, Leitende Wissenschaftlerin bei DESY, Professorin für Physik an der Universität Hamburg und Sprecherin des CUI-Clusters sowie Leiterin der Attosecond Science Group am Center for Free Electron Laser Science (CFEL). „Wir wollen diese Filme direkt aus unseren Messdaten erzeugen.“
Die Herausforderung: Die Darstellung im Maßstab eines Ångström
Die Attosekundenforschung, die 2023 mit dem Physik-Nobelpreis ausgezeichnet wurde, ermöglicht solche direkten Beobachtungen. Elektronenbewegung wird im Attosekundenbereich – einem Milliardstel einer Milliardstel-Sekunde – sichtbar, doch die Herausforderung für das Team besteht darin, dies im Maßstab eines Ångström, also einem Zehnmilliardstel Meter, zu zeigen. Ein Ångström entspricht der Größe eines einzelnen Atoms. „Wir wollen beobachten können, wie Chemie auf atomarer Ebene abläuft, und durch neue Möglichkeiten an Freie-Elektronen-Röntgenlasern und Tischlasern können wir diese Zeitskalen mittlerweile erreichen“, sagt Henry Chapman, Leitender Wissenschaftler bei DESY, Professor für Physik an der Universität Hamburg und Sprecher des CUI-Clusters, Leiter der Gruppe Coherent X-ray Imaging am CFEL bei DESY und Entwickler mehrerer entscheidender Forschungstechniken für Röntgenlaser. „Aber man erkennt sofort, wie schwierig es ist, überhaupt etwas abzubilden, denn Licht legt in dieser Zeit nur wenige Ångström zurück. Und genau hier kommen Sašas Linsen ins Spiel.“
Saša Bajt, Leitende Wissenschaftlerin bei DESY, führende Wissenschaftlerin im CUI-Cluster und Leiterin der Forschungsgruppe zu Advanced Optics am CFEL, entwickelt einzigartige mehrschichtige Laue-Linsen, die es ermöglichen, die Wellenfront des Röntgenstrahls mit der für Attosekundenpulse erforderlichen Präzision zu kontrollieren. „Diese Linsen können den Strahl bis auf eine einzelne Einheit eines Kristalls fokussieren, aber hier nutzen wir diese extreme Fokussierbarkeit auf eine andere Weise – um die Zeit im Beugungsmuster des Kristalls zu vergrößern und zu codieren“, erklärt Bajt. „Als wir zu viert das Konzept von IDEAA entwickelt haben, stellten wir fest, dass wir mehrere neue experimentelle Techniken mit theoretischen Ansätzen kombinieren mussten.“
Das Ziel: Ein synergetischer, multimodaler Ansatz
Die Expertise von Nina Rohringer im Bereich der Licht-Materie-Wechselwirkungen wird entscheidend sein für die Entwicklung der theoretischen Grundlagen und Algorithmen, die für diesen innovativen Ansatz erforderlich sind. „Unser Ziel ist es, einen synergetischen, multimodalen Ansatz zu entwickeln“, sagt Rohringer, Leitende Wissenschaftlerin bei DESY, Professorin für Physik an der Universität Hamburg und führende Wissenschaftlerin im CUI-Cluster. „Indem wir Daten aus verschiedenen röntgen- und laserbasierten Techniken kombinieren und sie mit innovativen Algorithmen gleichzeitig analysieren, können wir die koordinierte Bewegung von Elektronen, ausgelöst durch ultraschnelle Laserpulse, rekonstruieren. Diese wegweisende Methodik wird einen neuen experimentellen Maßstab für die Quantenchemie und die zeitabhängige elektronische Strukturtheorie setzen.“ Das Team wird sowohl Attosekundenquellen im Labor als auch den European XFEL, den weltweit größten Röntgenlaser, als Hauptstandorte für ihre Forschung nutzen.
Der Europäische Forschungsrat (ERC) ist die führende Förderinstitution für Spitzenforschung in der EU. Die ERC Synergy Grants sind besonders angesehen, da sie außergewöhnliche interdisziplinäre Zusammenarbeit voraussetzen. Mit nur 66 geförderten Projekten aus 701 Bewerbungen im Jahr 2025 (eine Erfolgsquote von lediglich 9,4 %) zählen die Preistragenden zu den führenden Forschenden Europas. Die Stipendien bieten nicht nur beträchtliche finanzielle Mittel, sondern sind auch mit erheblichem Prestige verbunden, was das internationale Ansehen sowohl der einzelnen Forschenden als auch von DESY als führender Forschungseinrichtung stärkt.
Die Förderung über sechs Jahre wird es der Gruppe ermöglichen, ihre Teams zu erweitern, modernste Instrumentierungen zu entwickeln und ihre Forschung durch das ambitionierte, risikoreiche Forschungsprogramm in neue Richtungen zu lenken. Ihr Ziel ist die Entwicklung eines „Attosekundenmikroskops“, das die photochemische Reaktionstechnik neu definieren und die Grenzen der Beobachtung und Steuerung der Dynamik von Materie in extremen Zeitskalen erweitern wird. Darüber hinaus wollen sie mithilfe direkter Erkenntnisse, die sie mit den von ihnen entwickelten neuen Methoden gewinnen, Maßstäbe für seit langem bestehende Theorien setzen. Text: DESY, CUI

