Imaging of Matter
ERC Synergy Grant: Rund 11 Millionen Euro für das Forschungsprojekt „GRAIL“Neues Instrument zur Erforschung des Lebens
26. Oktober 2023
Foto: Pearson, Fernandez-Cuesta
Alle lebendigen Systeme sind permanent in Bewegung. Aber was genau passiert, wenn Proteine arbeiten? Für ihren neuartigen Ansatz zur Erforschung der Struktur-Funktions-Dynamik von Membranproteinen erhalten Forschende der Universität Hamburg und der Universität Groningen einen sogenannten Synergy Grant des Europäischen Forschungsrates. Ihr Projekt „GRAIL“ wird für sechs Jahre mit rund 11 Millionen Euro gefördert.
Dreh- und Angelpunkt des neuen Forschungsprojektes sind Gradienten, also die sich ständig verändernden chemischen Bedingungen innerhalb und außerhalb der Lipidmembranen, die die Zellen umgeben. Die Forschenden wollen herausfinden, wie diese Gradienten die Struktur und Funktion der in die Membranen eingebetteten integralen Membranproteine beeinflussen. Seit ihrer Entdeckung in den 60er Jahren ist die biomedizinische Bedeutung chemiosmotischer Gradienten immer deutlicher geworden. Heute sind integrale Membranproteine die wichtigsten Ziele für die Entwicklung von Arzneimitteln, etwa zur Behandlung der Parkinson-Krankheit und von Krebs oder zur Überwindung von Antibiotikaresistenzen.
„Trotz ihrer Bedeutung war es bisher nicht möglich, die strukturelle Dynamik von Proteinen in biologischen Membranen in Gegenwart dieser physiologisch bedeutenden Gradienten direkt zu beobachten“, sagt Prof. Dr. Arwen Pearson vom Institut für Nanostruktur und Festkörperphysik der Universität Hamburg, die auf zeitaufgelöste Strukturbiologie spezialisiert ist und das Projekt koordiniert. „Im GRAIL-Projekt wollen wir diese fundamentale Lücke in unserem Verständnis einiger der grundlegendsten Prozesse des Lebens schließen, indem wir eine neue Methode entwickeln, um Membranproteine in Aktion und in Gegenwart eines chemiosmotischen Gradienten zu beobachten". GRAIL baut auf Forschungsarbeiten auf, die im Rahmen des Exzellenzclusters „CUI: Advanced Imaging of Matter“, dem Marie-Curie Sklodowska International Training Network "Neurotrans" und dem ERC Starting Grant des Teammitglieds Irene Fernandez-Cuesta, "Fluinems", durchgeführt wurden. Diese haben die entscheidenden Vorergebnisse für das neue Projekt geliefert. Außerdem wurde das Team durch die strategische Partnerschaft der Universität Hamburg im Rahmen der Exzellenzstrategie mit der Universität Groningen unterstützt.
Gebündelte Expertise in Membranproteinen, Photochemie und Nanotechnologie
Zusammen mit den Groninger Forschern Prof. Dirk Slotboom vom Institut für Molekulare Biowissenschaften und Biotechnologie und Dr. Wiktor Szymanski, Professor für Medizinische Chemie, Photopharmazie und Imaging, sowie Dr. Irene Fernandez-Cuesta, Nachwuchswissenschaftlerin am CUI und Expertin für Nano-Opto-Fluidik, vereint das GRAIL-Team die nötige Expertise in Membranproteinen, Photochemie und Nanotechnologie, um seine Vision Wirklichkeit werden zu lassen. Mithilfe einer speziell von Fernandez-Cuesta entworfenen und hergestellten Nanovorrichtung mit unterteilten Flüssigkeitszellen wird sich das Team auf vier sorgfältig ausgewählte Proteine aus dem Slotboom-Labor konzentrieren, die Protonen, anorganische Anionen und organische Ionen durch die Membran transportieren. Sogenannte Photocages, die von Szymanski entwickelt wurden, werden es ermöglichen, die Aktivität der Membranproteine bei Bedarf einzuschalten, sodass Pearson mit zeitaufgelöster serieller Kristallographie einen Film des Membranproteins in Aktion aufnehmen kann.
"Die Daten, die GRAIL liefern wird, werden uns völlig neue Einblicke in die grundlegende Biophysik von Membranproteinen verschaffen und ein tieferes mechanistisches Verständnis ermöglichen, das notwendig ist, um beispielsweise besser zu verstehen, warum Mutationen in Membrantransportern schwere psychische Erkrankungen verursachen können oder wie Drogenmissbrauch auf molekularer Ebene wirkt", sagt Pearson. Längerfristig hofft das Team, dass die GRAIL-Methode genauso zum Instrumentarium der Strukturbiologie gehören wird wie heute die normale Kristallographie, Kryo-EM und NMR.