Imaging of Matter
Feierliche Preisübergabe im Planetarium
10. November 2022
Foto: Joachim Herz Stiftung/Claudia Höhne
Die britische Wissenschaftlerin Nicola Spaldin hat gestern den Hamburger Preis für Theoretische Physik erhalten. Im Planetarium Hamburg wurde die Materialforscherin von der ETH Zürich für ihre herausragenden Arbeiten geehrt, die zur Entwicklung einer neuen Klasse von Materialien führten – den sogenannten Multiferroika. Diese könnten zukunftsweisende Anwendungsmöglichkeiten in der Mikroelektronik ermöglichen, wie etwa den Bau ultraschneller Datenspeicher oder hochempfindlicher Sensoren.
Sabine Kunst, Vorstandsvorsitzende der Joachim Herz Stiftung, würdigte bei der Preisverleihung neben der wissenschaftlichen Pionierleistung auch die Offenheit Spaldins für fachübergreifendes Arbeiten: „Nicola Spaldin bewegt sich mit ihren Forschungen an der Schnittstelle zwischen theoretischer Physik, Chemie und Materialforschung. Sie ist Vorbild für disziplinenübergreifende und internationale Zusammenarbeit und ich hoffe, dass ihr Aufenthalt auch am Wissenschaftsstandort Hamburg für neue Impulse sorgt.“ Nicola Spaldin wird in den kommenden Monaten zu Lehr- und Forschungsaufenthalten in die Hansestadt kommen.
Wissenschaftssenatorin Katharina Fegebank: „Professorin Nicola Spaldin ist eine Wegbereiterin für die Entwicklung einer neuen Klasse von Materialien, ihre Arbeit hat ein komplett neues Forschungsfeld geschaffen. Ich freue mich sehr, dass der Hamburger Preis für theoretische Physik erstmalig an eine Frau geht und Professorin Spaldins Pionierarbeit und theoretischen Analysen auszeichnet. Ich wünsche ihr einen spannenden Forschungsaufenthalt in unserer Science City Hamburg Bahrenfeld und gratuliere herzlich zu dieser verdienten Auszeichnung. Mein Dank gilt auch der Joachim Herz Stiftung und allen Beteiligten.“
Die Erforschung einer neuen Klasse von High-Tech-Werkstoffen
Mit einem wegweisenden Fachartikel legte Nicola Spaldin im Jahr 2000 den Grundstein für die gezielte Erforschung einer neuen Klasse von Materialien – den Multiferroika. Dabei handelt es sich um Materialien, die sich sowohl dauerhaft magnetisieren als auch elektrisch polarisieren lassen. Diese physikalischen Eigenschaften treten in der Natur fast nie zusammen auf. Ihre theoretischen Analysen wiesen den Weg zur Herstellung maßgeschneiderter Kristalle, die zugleich ferromagnetisch und ferroelektrisch sind. Der experimentelle Durchbruch gelang 2003. Seit 2010 treibt Nicola Spaldin die Entwicklung der neuen Materialklasse mit ihrer Forschungsgruppe an der ETH Zürich voran.
Multiferroika könnten den Bau ultraschneller Datenspeicher und hochempfindlicher Sensoren ermöglichen. Die magnetoelektrischen Multitalente versprechen noch weitere zukunftsweisende Anwendungen. Mit ihrer Hilfe ließe sich in Computern die räumliche Trennung zwischen der elektrischen Verarbeitung von Informationen im Prozessor und ihrer magnetischen Speicherung auf Festplatten aufheben. Das würde höhere Rechenleistung bei geringerem Energieverbrauch ermöglichen und nährt bei Fachleuten die Hoffnung, multiferroische Materialien könnten den Weg zu Mikroelektronik-Bauteilen weisen, die ohne den Halbleiter Silizium auskommen.
Der Hamburger Preis für Theoretische Physik
Die Joachim Herz Stiftung vergibt den Hamburger Preis für Theoretische Physik seit 2010 zusammen mit dem Wolfgang Pauli Centre des DESY und der Universität Hamburg, dem Deutschen Elektronen-Synchrotron DESY sowie den beiden Exzellenzclustern an der Universität Hamburg: „CUI: Advanced Imaging of Matter“ und „Quantum Universe“. Der mit 137.036 Euro ausgestattete Preis für herausragende Forschungsleistungen in der theoretischen Physik ist eine der höchstdotierten Auszeichnungen für Physik in Deutschland. Die Preissumme ist eine Anspielung auf die Sommerfeldsche Feinstrukturkonstante, die in der theoretischen Physik eine wichtige Rolle spielt. Text: Joachim Herz Stiftung, red.