Imaging of Matter
Forscherteam beleuchtet das Zukunftspotenzial von Röntgenbildgebung und Kryo-Elektronenmikroskopie
12. Mai 2025

Foto: Illustration mit Unterstützung von ChatGPT, Open AI, 2025
Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler von DESY, CSSB, CUI und der Universität Uppsala veröffentlichen wegweisenden Übersichtsartikel.
Ein interdisziplinäres Forschungsteam des Center for Free-Electron Laser Science (CFEL) bei DESY, des Centre for Structural Systems Biology (CSSB), des Center for Ultrafast Imaging (CUI) der Universität Hamburg und der Universität Uppsala hat im renommierten Fachmagazin „Nature Methods“ eine Übersicht veröffentlicht, die das Zukunftspotenzial der Kombination zweier Schlüsseltechnologien der Strukturbiologie beleuchtet: Röntgenbildgebung und Kryo-Elektronenmikroskopie (Cryo-EM). Durch die Kombination von Ideen und Ansätzen – die in diesen beiden Bereichen unabhängig voneinander entwickelt wurden – zeigen die Forschenden neue Möglichkeiten auf, biologische Prozesse in Echtzeit und mit hoher Auflösung zu visualisieren: Ein vielversprechender Ansatz für die Entwicklung zukünftiger molekularer Filme und personalisierter Wirkstoffe.
Bewegte Moleküle sichtbar machen
Wie bewegen sich Moleküle in lebenden Zellen? Wie interagieren sie miteinander? Wie lassen sich diese Prozesse sichtbar machen und kontrollieren? Das sind zentrale Fragen der Strukturbiologie und Physik. Obwohl verschiedene Methoden bereits Einblicke in molekulare Dynamiken erlauben, ist es für Forschende schwierig, strukturelle Veränderungen mit hoher zeitlicher und räumlicher Auflösung darzustellen. „Biologische Funktionen beruhen auf Bewegungen von Molekülen, Atomen und Elektronen, die über verschiedene Zeitskalen ablaufen“, erklärt Amir Banari, Forscher am Center for Ultrafast Imaging (CUI) und Erstautor der aktuellen Studie. „Dazu entwickeln wir in unserem Team neue methodische Ansätze – insbesondere durch die Kombination von Kryo-Elektronenmikroskopie und Röntgenbildgebung.“
Die sogenannte zeitaufgelöste Strukturbiologie zielt darauf ab, biologische Moleküle nicht nur als statische Strukturen, sondern in Bewegung zu erfassen – und so wichtige Erkenntnisse über ihre Funktionsweise zu gewinnen. Die größte Herausforderung bei diesem Forschungsansatz: Viele dieser Reaktionen laufen extrem schnell ab, und herkömmliche Abbildungsmethoden erfassen oft nur stabile Zustände. Gleichzeitig verursacht die intensive Strahlung, die zur Untersuchung verwendet wird, Schäden an den empfindlichen Proben. Um die Hürden zu überwinden, setzt das Team auf die gezielte Kombination zweier sich ergänzender Methoden der Strukturbiologie: die Kryo-Elektronenmikroskopie und die Röntgenkristallographie. In ihrer Veröffentlichung konnten die Forschenden zeigen, wie beide sich optimal ergänzen. „Wir schlagen mit unserer Arbeit eine Brücke zwischen diesen bisher getrennten Methoden“, sagt DESY-Forscher Dominik Oberthür. „Neue Präparationsmethoden, serielles Datensammeln und KI-gestützte Analysen sind Schlüssel, um die Stärken beider Welten zu vereinen.“
Interdisziplinarität als Erfolgsfaktor
Ein zentrales Element des Projekts ist die Kooperation zwischen Physik, Biochemie und Datenanalyse. Mit Unterstützung des CUI wurden Expert:innen verschiedener Disziplinen zusammengebracht, um die vorhandenen Technologien auf dem Forschungscampus zu vernetzen. Multimodales Imaging und KI-gestützte Auswertungsverfahren ermöglichen es, biologische Prozesse in Raum und Zeit mit bisher unerreichter Auflösung zu untersuchen. „Nur durch interdisziplinäre Zusammenarbeit können wir neue Werkzeuge schaffen, um die Dynamik biologischer Prozesse besser zu verstehen – und langfristig medizinisch nutzbar zu machen“, betont Carolin Seuring, Wissenschaftlerin im CSSB und Exzellenzcluster "CUI Advanced Imaging of Matter".
Blick in die Zukunft: Maßgeschneiderte Medikamente, PETRA IV und KI-gestützte Analysen
Erkenntnisse aus der zeitaufgelösten Strukturbiologie und Synergien von Kryo-EM und X-ray Wissenschaften versprechen vielfältige Anwendungen – wie die Entwicklung von Medikamenten mit gezielterer Wirkung und weniger Nebenwirkungen, Fortschritte in der personalisierten Medizin durch maßgeschneiderte Therapien, sowie Innovationen in Biotechnologie und Energieforschung. „Indem wir verstehen, wie sich Biomoleküle während Reaktionen strukturell verändern, können wir beispielsweise Medikamente entwickeln, die sehr viel gezielter wirken“, erläutert Anna Munke, Mitautorin der Studie.
Die Forschungsgruppe arbeitet daran, Kryo-EM noch enger mit Röntgenbildgebung und -beugung an Freie-Elektronen-Lasern und Synchrotronstrahlungsquellen zu verknüpfen.. Dabei soll der Einsatz von KI in der Datenanalyse die Konsolidierung von Informationen aus unterschiedlichen Messungen ermöglichen, um die Strukturbestimmung flüchtiger Zwischenzustände weiter zu verbessern. Mit dem Synchrotron der nächsten Generation - PETRA IV bei DESY - erwartet das Team einen Technologiesprung. Mit einer engeren Zusammenarbeit zwischen Röntgenforschungsanlagen, Kryo-Elektronenmikroskopie und Datenwissenschaften eröffnen sich weitere Möglichkeiten: „Mit kombinierten Messungen aus PETRA IV, dem European XFEL und Kryo-Elektronenmikroskopie können wir größere Reichweiten und feinere Details dynamischer Strukturveränderungen mit höherem Kontrast erfassen“, sagt DESY-Forscher Henry Chapman. „Unser langfristiges Ziel ist es, auch komplexe Prozesse in lebenden Zellen mit bislang unerreichter Auflösung sichtbar zu machen.“ Text: DESY, ed.
Originalpublikation
A. Banari, A. Samanta, A. Munke, T. Laugks, S. Bajt, K. Grünewald, T. Marlovits, J. Küpper, F. Maia, H. Chapman, D. Oberthür & C. Seuring
Advancing time-resolved structural biology: latest strategies in cryo-EM and X-ray crystallography
Nature Methods (2025)