Imaging of Matter
Forschenden gelingt Kontrolle von Quantenzuständen in einem neuen Energiebereich
16. Dezember 2024
Foto: Elettra Sincrotrone,Trieste
Einem internationalen Team von Wissenschaftler*nnen mit Beteiligung von DESY und dem Exzellenzcluster "CUI:Advanced Imaging of Matter" ist es gelungen, hybride Elektron-Photon-Quantenzustände in Helium-Atomen zu erzeugen und diese direkt zu kontrollieren. Mit dem Freie-Elektronen-Laser FERMI in Triest, Italien, erzeugte das Team unter der Leitung von Lukas Bruder, Nachwuchsgruppenleiter am Physikalischen Institut der Universität Freiburg, hierfür speziell präparierte extrem-ultraviolette Lichtpulse mit hoher Intensität. Die Kontrolle der Quantenzustände erreichten die Wissenschaftler:innen durch eine neue Technik zur Laserpulsformung. Ihre Ergebnisse publizierten sie im Fachjournal Nature.
Solange Elektronen an ein Atom gebunden sind, können sie nur bestimmte Energien haben. Die Werte dieser Energieniveaus hängen zunächst von den Atomen selbst ab. Befindet sich ein Atom im Strahl eines sehr intensiven Lasers, kommt es allerdings zu Verschiebungen der Energieniveaus. Es entstehen hybride Photon-Elektron Zustände (sogenannte „dressed states“). Diese treten bei Laserleistungen zwischen zehn und hundert Billionen Watt pro Quadratzentimeter auf. Um diese speziellen Quantenzustände erzeugen und kontrollieren zu können, sind deshalb Laserpulse notwendig, die eine solche Leistung innerhalb eines Zeitfensters von ein paar Billiardstel Sekunden erreichen.
Für ihr Experiment nutzten die Wissenschaftler:innen den Freie-Elektronen-Laser FERMI. Mit diesem Laser lässt sich Laserlicht im extrem-ultravioletten Spektralbereich mit sehr hoher Intensität erzeugen. Diese extrem-ultraviolette Strahlung hat eine Wellenläge von weniger als 100 Nanometern, was nötig ist, um die Elektronenzustände im Helium-Atom anzusprechen.
Direkte Kontrolle der kurzlebigen Quantenzustände in einem Helium-Atom
Um die Elektron-Photon-Zustände zu kontrollieren, verwendeten die Forschenden Laserpulse, die je nach Szenario auseinanderliefen oder gestaucht wurden. Dies erreichten sie, indem sie die zeitliche Verzögerung der verschiedenen Farbanteile des Lichts steuerten. Die Eigenschaften der Laserpulse wurden mithilfe eines sogenannten Seed-Laser-Pulses kontrolliert, der die Emission des Freie-Elektronen-Lasers vorkonditioniert.
„Mit unserer Forschung konnten wir zum ersten Mal direkt die kurzlebigen Quantenzustände in einem Helium-Atom kontrollieren“, sagt Bruder. „Die von uns entwickelte Technik eröffnet ein neues Forschungsfeld: Es ergeben sich neue Möglichkeiten, Experimente mit Freie-Elektronen-Lasern deutlich effizienter und selektiver zu machen. Es können neue Einblicke in fundamentale Quantensysteme gewonnen werden, die mit sichtbarem Licht nicht erreichbar sind. Insbesondere könnten nun Methoden entwickelt werden, um chemische Reaktionen mit atomarer Präzision zu untersuchen oder gar zu steuern.“
„Insbesondere die hervorragenden Kohärenzeigenschaften der ultrakurzen Lichtblitze, welche im Seeding-Verfahren bei FERMI erzeugt werden, sind für die Experimente von entscheidender Bedeutung“, betont DESY-Wissenschaftler Tim Laarmann, einer der Mitautoren der Studie, der auch im Exzellenzcluster „CUI: Advanced Imaging of Matter“ forscht. Im Rahmen des aktuellen Ausbauprojekts FLASH2020+ soll diese besondere Strahlqualität auch Forscherinnen und Forschern an DESYs Freie-Elektronen-Laser FLASH mit deutlich höherer Repetitionsrate zur Verfügung gestellt werden.
Beteiligt an dem Forschungsprojekt, welches unter anderem vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) im Rahmen der Verbundforschung zu den Themen „Longitudinale Kohärenz am Freie-Elektronen-Laser (LoKoFEL)“ und „Moderne Seeding-Methoden für Strahlung im XUV- und Angström-Bereich“ gefördert wurde, waren die Universität Freiburg, das Max-Planck-Instituts für Physik komplexer Systeme in Dresden, die Universität Oldenburg, das IFN-CNR in Mailand, die Universität Innsbruck, die Universität Göteborg, das CNR-IOM in Triest, das Istituto Nazionale di Fisica Nucleare in Rom, das Deutsche Elektronen-Synchrotron DESY in Hamburg, das Hamburg Centre for Ultrafast Imaging, die Universität Aarhus und die Universität Hamburg. Text: DESY, red.
Originalpublikation
Richter et al.
Strong-field quantum control in the extreme ultraviolet using pulse shaping
Nature, 2024
DOI: 10.1038/s41586-024-08209-y