Imaging of Matter
Eine Leidenschaft für Laser
4. August 2022, von Ingeborg Adler

Foto: privat
Noch bis Ende September wird Mildred Dresselhaus Gastprofessorin Dr. Caterina Vozzi auf dem Campus in Bahrenfeld forschen. Die Senior-Preisträgerin ist Expertin für Attosekundenphysik und die Erzeugung Hoher Harmonischer und arbeitet hier gemeinsam mit Cluster-Vorstandsmitglied Prof. Francesca Calegari an einer Attosekunden-Strahlungsquelle im weichen Röntgenbereich, die über den derzeitigen Stand der Technik hinausgeht.
Unter heutigen Bedingungen scheint eine wissenschaftliche Karriere wie die von Dr. Caterina Vozzi kaum noch möglich, aber sie war lange Zeit typisch für das italienische Wissenschaftssystem: Caterina Vozzi wuchs in Mailand auf, studierte dort, promovierte und erst als sie eine unbefristete Stelle hatte, beschloss die heutige Professorin (Research Director) am Mailänder Institut für Photonik und Nanotechnologie (CNR-IFN), längere Zeit ins Ausland zu gehen. Irgendwann auf diesem Weg verliebte sie sich in Laser.
Eine Lehrerin brachte ihr die Quantenphysik näher
Caterina Vozzi wuchs in einer vielseitig interessierten Familie mit drei Geschwistern auf. Die Mutter, einst Lehrerin für Altgriechisch und Latein, der Vater Besitzer eines kleinen, erfolgreichen Elektronik-Unternehmens, die Geschwister Ärztin, TV-Journalist und angehender Jurist. Caterina interessierte sich als Grundschülerin für Pflanzen, Tiere und Chemie, mixte Haushaltsreiniger und fing mit zehn Jahren an, naturwissenschaftliche Bücher zu lesen. „Ich war sehr neugierig“, sagt sie im Rückblick. So neugierig, dass sie in der Grundschule einen Vortrag über Atomenergie hielt und von ihrer Lehrerin stolz durch alle Schulklassen geführt wurde. Am Gymnasium hätte es die Mutter gerne gesehen, wenn sie sich auf die klassischen Sprachen konzentriert hätte, für Caterina kam das aber nicht infrage, wenngleich sie noch heute einige Worte Griechisch spricht. Sie entschied sich für Physik, denn dort blicke man auf den Anfang von allem, alles hänge davon ab. Ihr Interesse wurde von einer engagierten Lehrerin gefördert, die ihren Schülerinnen und Schülern die Quantenphysik näherbrachte. Für Caterina war das genau das Richtige: „Ich bin sehr rational und mag herausfordernde Themen.“
Der Wechsel an die Universität war persönlich eine schwere Zeit. Sie hatte Mühe, sich für ein Studienfach zu entscheiden, das schließlich das gesamte Leben bestimmen würde. Sollte sie aus finanziellen Gründen Betriebswirtschaft studieren, Psychologie oder doch das Fach, das sie richtig mochte? Sie entschied sich für Physik. Im ersten Studienjahr erkrankte ihr Vater und starb schließlich im dritten Jahr.
Sie versuchte Möglichkeiten zu finden und bestmöglich zu kombinieren
Ein Professor an der Università degli Studi di Milano sticht für sie noch heute heraus: ein Theoretiker, der den Studierenden auch die Versuchsaufbauten zeigte, der Theorie und Experiment kombinierte. Für ihre Masterarbeit forschte Caterina Vozzi in einer internationalen Gruppe am European Commission Joint Research Centre (JRC) in Ispra unweit von Mailand und nutzte zum ersten Mal Laser für ihre Forschung im Bereich der nichtlinearen Optik. Für die Promotion an der Università degli Studi di Milano gewann sie ein Fellowship, mit dem sie in den Laboren des Politecnico di Milano forschen konnte. „Das war großartig, ein Fellowship zu haben und gleichzeitig diese coolen Labore am Politecnico nutzen zu können. Ich habe immer versucht, Möglichkeiten zu finden und diese bestmöglich zu kombinieren.“ So konnte sie erstmals mit Femtosekundenlasern arbeiten.
Mit dem ERC-Grant begann ein neues Kapitel in der Karriere
Nach dem Postdoc und der ersten unbefristeten Stelle am CNR-IFN war die Zeit für einen längeren Auslandsaufenthalt gekommen. Acht Monate forschte Caterina Vozzi am National Research Council of Canada in Ottawa in der für sie „besten Gruppe weltweit auf dem Gebiet der Attosekundenforschung“. Sie genoss die Erfahrung in der sehr unterstützenden Gruppe und weitete ihren Blick. Erstmals setzte sie Femtosekundenlaser ein, um die Dynamik von Molekül-Orbitalen mit einer neuen Experimentiertechnik zu untersuchen. In dieser Zeit entstand eine wegweisende Publikation, auf deren Basis sie 2012 einen ERC Starting Grant einwerben konnte. „Mit diesem Grant begann ein neues Kapitel in meiner Karriere. Ich wurde sichtbar, ich baute meine eigene Gruppe auf und hatte mehrere Labore.“ Sie weitete ihre Forschung auf die Dynamik von Festkörpern aus und füllte damit eine Lücke an ihrem Fachbereich. Ultraschnelle THz Spektroskopie sei zu dem Zeitpunkt in Italien noch nicht sehr etabliert gewesen. Ab jetzt traf Caterina Vozzi strategische Entscheidungen.
Auch privat veränderte sich einiges: 2014 lernte Caterina Vozzi im Labor einen neuen Partner kennen und bekam 2017 ihre Tochter Giulia, mit der sie viel Zeit im Freien verbringt, Pflanzen sammelt, oder Fahrrad fährt. Allerdings war auch ihre Arbeitsgruppe stark gewachsen, sodass nicht mehr genügend Zeit für die Lehre zur Verfügung stand.
Große Laser-Einrichtungen ermöglichen jetzt den Schritt auf die nächste Ebene
Was sie besonders an Ihrer Arbeit schätzt? „Ich forsche seit 20 Jahren auf dem Gebiet und habe mit der Entwicklung der Attosekundenforschung eine aufregende Evolution miterlebt. Jetzt betreten wir mit den großen Einrichtungen wie dem European XFEL die nächste Ebene und es ist sehr attraktiv dort zu experimentieren.“ Kollaborationen sind ein weiterer Aspekt: „In der Zusammenarbeit mit Kolleginnen und Kollegen kann man so viel lernen. Wir haben häufig eine hohe technische Kompetenz, aber wir sind nicht gut ausgebildet in Management- und Führungsfragen.“ Das lerne man von anderen Menschen.
Das Mildred Dresselhaus Programm sei eine sehr gute Gelegenheit für Kooperationen. Caterina Vozzi kooperiert schon lange mit Forschenden des Clusters, wie Prof. Franz Kärtner, Prof. Jochen Küpper oder Prof. Francesca Calegari. Die beiden Italienerinnen standen schon zu Postdoc- und Promotionszeiten gemeinsam im Labor. Mit nur 43 Jahren, zu einem in Italien sehr frühen Zeitpunkt, wurde Caterina Vozzi Research Director an ihrem Institut. „Ich habe dort sehr viel Freiheiten. Ich habe Möglichkeiten gesehen und ich habe zugegriffen.“