Imaging of Matter
Materialforscherin Nicola Spaldin erhält Hamburger Preis für Theoretische Physik
30. Juni 2022

Foto: Daniel Rihs
Die britische Wissenschaftlerin Nicola Spaldin erhält den Hamburger Preis für Theoretische Physik 2022. Die Professorin für theoretische Werkstoffkunde an der ETH Zürich ist Wegbereiterin für die Entwicklung einer neuen Klasse von Materialien – den sogenannten Multiferroika. Diese könnten zukunftsweisende Anwendungsmöglichkeiten in der Mikroelektronik ermöglichen, wie etwa den Bau ultraschneller Datenspeicher oder hochempfindlicher Sensoren.
Der renommierte Preis wird Spaldin am 9. November 2022 in Hamburg verliehen, gemeinsam von der Joachim Herz Stiftung, dem Wolfgang Pauli Centre des DESY und der Universität Hamburg, dem Deutschen Elektronen Synchotron (DESY) sowie den beiden Exzellenzclustern „CUI: Advanced Imaging of Matter“ und „Quantum Universe“ an der Universität Hamburg.
„Mit Nicola Spaldin zeichnen wir in diesem Jahr eine Wissenschaftlerin aus, deren Arbeiten vor über 20 Jahren den Anstoß für weltweite Multiferroika-Forschungen gaben. Mit der Preisverleihung würdigen wir ihre beeindruckende Pionierleistung, aber auch ihre vielfältigen Aktivitäten im Bereich der internationalen Zusammenarbeit und Lehre“, so Sabine Kunst, Vorstandsvorsitzende der Joachim Herz Stiftung.
Erstmals erhält eine Frau den Preis
Der Hamburger Preis für Theoretische Physik wird seit 2010 an international renommierte Forscherinnen und Forscher vergeben. Nicola Spaldin ist die erste Frau, die ihn erhält. Er ist einer der höchstdotierten Wissenschaftspreise für Physik in Deutschland. Das Preisgeld beträgt 137.036 Euro, eine Anspielung auf die Sommerfeldsche Feinstrukturkonstante, die in der Theoretischen Physik eine wichtige Rolle spielt.
Der Physikpreis für Nicola Spaldin ist mit einem Forschungsaufenthalt in Hamburg verbunden. „Nicola Spaldins führende Expertise beim theoriegeleiteten Design multifunktionaler Materialien knüpft eng an Forschungsschwerpunkte unserer Science City an, z. B. in den Arbeitsgruppen am Max-Planck-Institut für Struktur und Dynamik der Materie, am CFEL und dem European XFEL. Ihre Ideen zur Simulation von Higgs-Bosonen oder kosmischen Strings in neuartigen Materialien bergen aber auch das Potenzial für einen spannenden Brückenschlag bis hinein in die Teilchenphysik am DESY und der Universität Hamburg. So freuen wir uns sehr auf den Austausch mit ihr“, sagt Volker Schomerus, Leitender Wissenschaftler bei DESY und Sprecher des Wolfgang Pauli Centers.
Multiferroika: ferromagnetisch und ferroelektrisch
Multiferroika sind Metalloxid-Verbindungen, die sich sowohl magnetisieren als auch dauerhaft elektrisch polarisieren lassen. Diese physikalischen Eigenschaften treten in der Natur fast nie zusammen auf. Nicola Spaldins theoretische Analysen und Experimente wiesen den Weg zur Herstellung maßgeschneiderter Kristalle, die zugleich ferromagnetisch und ferroelektrisch sind. Diese ungewöhnliche Kombination ermöglicht den Bau ultraschneller Datenspeicher und hochempfindlicher Sensoren. Die magnetoelektrischen Multitalente versprechen noch weitere zukunftsweisende Anwendungen. Mit ihrer Hilfe ließe sich in Computern die räumliche Trennung zwischen der elektrischen Verarbeitung von Informationen im Prozessor und ihrer magnetischen Speicherung auf Festplatten aufheben. Das würde höhere Rechenleistung bei geringerem Energieverbrauch ermöglichen und nährt bei Fachleuten die Hoffnung, multiferroische Metalloxid-Verbindungen könnten künftig womöglich dem Halbleiter Silizium Konkurrenz machen.
Über Nicola Spalding
Nicola Spaldin (geboren 1969) studierte Chemie und Geologie an der University of Cambridge und interessierte sich schon früh für die Schnittstelle zwischen theoretischer Physik, Chemie und Materialforschung. 1996 wurde sie an der University of California/Berkely promoviert. Sie war als Postdoktorandin an der Yale University/New Haven, bevor sie an der University of California/Santa Barbara eine Assistenzprofessur und eine außerordentliche Professur übernahm. 2006 wurde sie an derselben Universität zur ordentlichen Professorin berufen. Seit 2011 ist sie Professorin für theoretische Werkstoffkunde am Departement Materialwissenschaft der ETH Zürich.