Imaging of Matter
Die perfekte Lücke in der Welt der Majoranas
20. Mai 2021

Foto: UHH/MIN/Schneider
Forschenden vom Fachbereich Physik und dem Exzellencluster „CUI: Advanced Imaging of Matter“ ist es in Experimenten gelungen zu zeigen, wie sich innerhalb der Bandlücke eines elementaren Supraleiters elektronische Bänder bilden, wenn Magnetketten auf seiner Oberfläche zusammengesetzt werden. Die Analyse der Banddispersion lieferte Informationen über die Topologie der elektronischen Zustände, die eine Voraussage erlauben, welches Band topologisch ist und somit exotische Majorana-Moden beherbergen sollte. Majorana-Moden sind von besonderem Interesse, da sie zukünftig als grundlegender Baustein für eine neue Generation robuster Quantencomputer dienen könnten. Die Studie ist in der Zeitschrift Nature Physics erschienen.
Seit Jahren liegt ein zentraler Fokus der Festkörperphysik auf dem experimentellen Nachweis von eindeutigen Signaturen der Majorana-Moden. Die Theorie sagt unter anderem voraus, dass Majorana-Moden an den Enden von magnetischen Ketten auf einer supraleitenden Oberfläche auftreten, wenn die elektronischen Bänder in diesen Ketten topologisch nichttriviale Eigenschaften aufweisen. Der gleichzeitige experimentelle Nachweis einer nichttrivialen Topologie der Bänder innerhalb der Kette zusammen mit dem Auftreten lokalisierter Moden an den Enden würde daher sehr starke Beweise dafür liefern, dass es sich bei den Endzuständen tatsächlich um Majorana-Moden handelt. Die direkte Messung der Bänder in Magnet-Supraleiter-Hybridstrukturen erweist sich jedoch als sehr schwierig.
Nun hat ein Team von Physikern unter der Leitung von PD Dr. Jens Wiebe in der Forschungsgruppe von Prof. Roland Wiesendanger einen Weg gefunden, die Dispersion dieser Bänder aufzulösen. Die Forschenden untersuchten, wie sich die elektronische Struktur atomarer Manganketten entwickelt, wenn die Ketten Atom für Atom auf einer supraleitenden Niob(110)-Oberfläche zusammengesetzt werden.

Der wellenartige Charakter von Quasiteilchen, die in den absolut defektfreien Ketten eingeschlossen sind, führt zu einem Quanteninterferenzeffekt mit einer Reihe von quantisierten Zuständen. „Aus diesen Mustern können Energie und Impuls der Quasiteilchen in Beziehung gesetzt und somit Informationen über die Dispersion der Bänder extrahiert werden. Dabei konnten wir deutlich ein Band mit einer Bandlücke im Zentrum erkennen“, sagt Lucas Schneider, Erstautor und Doktorand in der Arbeitsgruppe.
Weiter zeigte sich, dass diese Bandlücke nicht mit der normalen, sondern nur mit einer unkonventionellen Art der Supraleitung zu erklären ist, da Messungen ohne Impulsauflösung nicht zwischen diesen beiden Fällen unterscheiden können. Von dieser Art der Supraleitung erwarteten die Experimentatoren, dass sie zur Ausbildung von Majorana-Moden an den zwei Enden der Kette führen würde. Erstaunlicherweise fand das Team aber keinerlei Anzeichen von Majorana-Moden genau dieses Bandes. Die Forschenden vermuten, dass der scheinbare Widerspruch durch ein zusätzliches Band mit Dirac-artiger Dispersion erklärt werden kann, welches die unkonventionelle Bandlücke des Ersteren durchläuft. Dieses Band stammt von einem weiteren Orbital der Manganatome. Der komplexere multiorbitale Charakter der Bandstruktur führe zu weiteren Bedingungen für die Realisierung von Majorana-Moden, die in zukünftigen Arbeiten an dem System der magnetischen Ketten berücksichtigt werden können.
„Der Zugriff auf all diese Informationen ermöglicht ein beispielloses mikroskopisches Verständnis von topologisch supraleitenden Phasen in magnetischen Ketten - direkt aus experimentellen Messungen“, sagt Lucas Schneider. Außerdem werde es hierdurch möglich, die Art der Supraleitung in ähnlichen Systemen zu charakterisieren.
Originalpublikation
L. Schneider, Ph. Beck, Th. Posske, D. Crawford, E. Mascot, St. Rachel, R. Wiesendanger und J. Wiebe
"Topological Shiba bands in artificial spin chains on superconductors"
Nature Physics (2021).
DOI: 10.1038/s41567-021-01234-y