Imaging of Matter
Dresselhaus Preisträgerin: Forschung und Lehre sind eine gute Kombination
21. Januar 2020, von Ingeborg Adler

Foto: UHH/CUI, Peter Garten
Bildung galt in der Familie von Prof. Alicia Palacios als sehr hohes Gut. Und wenngleich es an weiblichen Vorbildern speziell in den Naturwissenschaften mangelte, schlug Palacios eine Karriere in der Theoretischen Chemie ein. Anlässlich der Verleihung des Mildred Dresselhaus Preises beim Jahrestreffen des Exzellenzclusters „CUI: Advanced Imaging of Matter“ gab die Junior-Preisträgerin Einblicke in ihre Karriere. Alicia Palacios lehrt im Bereich Theoretische und Computerchemie an der Autonomen Universität Madrid und gilt als Expertin für „Ab-Initio“-Methoden zur Beschreibung ultraschneller elektronischer Prozesse in kleinen molekularen Systemen im Attosekunden-Bereich.
Die Mutter war 12, als sie anfing zu arbeiten, der Vater 14. Sie begann als Näherin, er arbeitete in der Verwaltung eines Textilunternehmens in einem kleinen Dorf in der spanischen Region La Mancha. Doch anders als der romantische Romanheld Don Quijote de la Mancha hatten die Eltern sehr klare Vorstellungen über das Leben: Sie übernahmen den Betrieb und ermöglichten ihren drei Kindern eine fundierte Ausbildung. Eine Tochter studierte Architektur, die zweite Chemie und der jüngere Bruder Medizin.
„Es war meinen Eltern sehr wichtig, uns ein Studium zu ermöglichen“, erzählt Alicia Palacios. „Dafür haben sie viele Opfer gebracht.“ 30 Jahre lang, bis die Konkurrenz aus China zu übermächtig wurde, führten sie das Textil-Unternehmen. Ihr Verhalten habe den Kindern sehr deutlich vor Augen geführt, wie wichtig Arbeit sei. Beide bildeten sich kontinuierlich fort und bauten zu Hause ihre eigene Bibliothek auf. In den Regalen standen viele Enzyklopädien, darunter eine große Sammlung zur Chemie des Weins. „Diese Bücher haben mich als Kind angezogen“, erinnert sich Alicia Palacios, die aber auch Fußball und Theater spielte.
Naturwissenschaften muss man einfach nur verstehen
Mit 14 schickten die Eltern sie mit ihrer Schwester auf ein Internat in Madrid, zwei Jahre später sollten sie sich bereits zwischen den Natur- und den Geisteswissenschaften entscheiden. Für Alicia war diese Zeit mit vielen Zweifeln behaftet und sie entschied sich zunächst für eine Mischung aus Literatur, Physik und Chemie. Die Entscheidung für die Naturwissenschaft fiel aus einem einfachen Grund: „Die Naturwissenschaften waren weniger zeitintensiv, weil man einfach nur verstehen musste.“ Sie machte ihren Bachelor in Chemie und staunte, als ihr Professor ihr sofort ein besonderes Forschungsprojekt anbot. Zu diesem Zeitpunkt hatte aber ein Master in Erziehungswissenschaften für sie Priorität: „Ich merkte aber langsam, was Forschung und theoretische Chemie bedeutete, ich entdeckte Veröffentlichungen der Theorie und die Unix-Umgebung, und ich merkte allmählich, was eine Promotion bedeutet.“ Forschung und Lehre waren für sie eine gute Kombination. 2006 promovierte sie in Theoretischer und Computerchemie an der Autonomen Universität Madrid (UAM).
Die Arbeit war wie ein Pingpong-Spiel
Eine Poster-Session stellte sich dann als Job-Interview für eine Stelle als Postdoc am Lawrence Berkeley National Lab in den USA heraus. „Die dreieinhalb Jahre dort waren eine fantastische Erfahrung. Ich hatte zwei sehr gute Berater, von denen ich sehr viel gelernt habe. Die Arbeit mit ihnen war wie ein Pingpong-Spiel.“ 2009 ergab sich die Gelegenheit, zurück nach Spanien zu gehen. Wie dort üblich, kehrte sie in die Gruppe ihres PhD-Supervisors Fernando Martin an die UAM zurück. Auf die Frage, wer ihre Vorbilder seien, wer ihre Karriere am meisten beeinflusst habe, kommt sofort sein Name und die der Berater in Berkeley, Bill McCurdy and Tom Rescigno, gefolgt von zwei Kollaborateuren, Henri Bachau und Piero Decleva, deren Besonnenheit sie zu schätzen lernte. „So habe ich unterschiedliche Arbeitsstile kennengelernt“, resümiert Alicia Palacios.
Es fehlte der Kontakt zu Frauen
Was fehlte, sei der Kontakt zu Frauen gewesen. Sowohl ihre Vorgesetzten als auch ihre Doktoranden waren bis jetzt ausschließlich Männer. „Es gibt ein in der Kultur begründetes Vorurteil, das korrigiert werden muss“, fordert Alicia Palacios.
Für die Zukunft hofft die Wissenschaftlerin auf eine permanente Position und auf Gelder für wirklich unabhängige Projekte. Entscheidend seien jetzt die realen Möglichkeiten – und die werden auch durch die drei und fünf Jahre alten Söhne bestimmt. Der Vater ist Österreicher und spricht Deutsch mit den Kindern. Auch Alicia Palacios hat bereits drei Jahre Deutsch gelernt – gute Voraussetzungen für den mit dem Mildred Dresselhaus Programm verbundenen Forschungsaufenthalt der gesamten Familie in Hamburg.